Von Petite Rivière, Nova Scotia, Kanada nach Memmingen, Deutschland
Unser nächstes Ziel war Lunenburg, Kanadas älteste deutsche (!) Siedlung und seit 1995 UNESCO-Weltkulturerbe. Die schmale Straße ging immer an der Küste entlang, die Landschaft war wunderschön und erinnerte uns sehr an Schweden. Weil sich der Lunenburg Campground am Rand von Lunenburg befand und wir so keinen Parkplatz für Muddy suchen mussten, checkten wir dort für zwei Tage ein und erkundeten am nächsten Tag zu Fuß Lunenburg.
Lunenburg hat eine lange Fischerei- und Schiffbautradition. Der Stadtkern besteht aus markanten Holzhäusern sowie alten Kapitänsvillen.
Um das in Nova Scotia herrschende Ungleichgewicht zwischen Protestanten und den dort hauptsächlich ansässigen akadisch-französischen Katholiken auszugleichen, warb die britische Krone in Europa um protestantische Emigranten. Britische Protestanten ließen sich jedoch nur schwer dazu bewegen, in dieses eher unwirtliche Gebiet auszuwandern.
Die Gründung Lunenburgs erfolgte 1753, als der Ort bereits zum British Empire gehörte. Anfangs wurde er von „ausländischen“ Protestanten, sogenannten Foreign Protestants bewohnt, die größtenteils aus der Pfalz und aus Württemberg (in Deutschland), der Schweiz und dem protestantischen Fürstentum Montbéliard in Frankreich kamen. Sie wurden von Lord Cornwallis in das noch junge Kanada geholt, indem er ihnen freie Religionsausübung und kostenlosen Landbesitz versprach und zudem die Überfahrt finanzierte. Als später fast ausschließlich Deutsche nach Lunenburg kamen, wurde der ursprüngliche Name der Mi`kmaq Indianer „Mirliguèche“ in den heutigen Namen geändert. Natürlich gibt es auch in Lunenburg die Kaulbach Street, die Kempt Street, die Schwartz Street, die Archibald Street, die Hirtle und die Tanner Road sowie die Linden Avenue.
Lunenburg ist der Heimathafen der Segelschiffe Bluenose und Bluenose II, die die kanadische 10-Cent-Münze zieren. Außerdem wurde hier der Drei-Master Bounty, für den Film Meuterei auf der Bounty originalgetreu nachgebaut.
























Weiter ging es die Lighthouse Route entlang (eine der schönsten Straßen die wir bislang fuhren) durch Mahone Bay durch (ganz nett, aber SEHR touristisch) zum Graves Island Provincial Park. Dort wollten wir Haare schneiden, denn mit unseren Frisuren hätten wir sicher aus Kanada aus, aber in Deutschland nicht einreisen können 😉! Warum die Insel so einen Namen hat, bei dem man fast schon Gänsehaut bekommt, weiß ich leider nicht. Anscheinend wurde sie im 17. Jahrhundert nach einem Admiral Graves benannt. Eine andere Geschichte erzählt von der ersten Siedler-Familie hier, die Graff`s. Und es gibt auch noch eine Legende von irgendwelchen Schiffsbrüchigen. Egal! Unser Übernachtungsplatz war schön, mit Blick auf den Atlantik und sehr friedlich 😊! Das „Reste essen“ ging weiter und anschließend machte Chrisi noch ein Höllenfeuer, so zumindest der Plan. In Nova Scotia wird jeden Tag (bei erhöhter Brandgefahr, wie momentan) festgelegt, ab wie viel Uhr Lagerfeuer erlaubt sind. An diesem Tag um 19.00 Uhr! Bis dahin war die Luftfeuchtigkeit so hoch und das Holz so nass, dass das Anzünden schwierig war und es so funkte, dass ich mich „Kleiderschonend“ weit wegsetzen musste. Bei 8 Grad war das echt kalt ☹! Dennoch waren wir die halbe Nacht am Feuer.
Am nächsten Tag machten wir noch einen Spaziergang über den Campingplatz, auf dem man im Sommer ohne Reservierung keinen Platz bekommt und der jetzt auf unserer Schleife (ohne Wasser und Strom) ganz leer war und auf den anderen Plätzen (mit allem) war auch nicht viel los. Wie alle, wird auch dieser Provincial Park am 14.10. geschlossen (und öffnet wieder am 01.05.).
Wir fuhren die Lighthouse Route weiter (einfach wunderschön!) und kämpften uns im Berufsverkehr durch Halifax (Einwohner 2021: 439.819) und über eine Toll-Brücke (mautpflichtig: 2,50 CAD = 1,68 €) bis nach Dartmouth durch. Dort hatten wir am Freitagfrüh einen Termin bei einer Spedition zur Abholung unserer Papiere für Muddy`s „Kreuzfahrt“ 😉 über den Atlantik. Nach stressigen Fahrbahnwechseln (ich hängte immer meinen Kopf zum Fenster raus und stoppte den Verkehr) fanden wir die Spedition. Wir hätten auch auf der Straße davor übernachten dürfen, bevorzugten aber den Bass Pro Shop (die eifrige Leserin und der eifrige Leser wissen warum 😉), der sich ca. 2 km von der Spedition entfernt befand.


Starfriseurin 😉





in Halifax


Die Übergabe der Papiere am nächsten Morgen in der Spedition klappte schnell 😊. Leider erfuhren wir aber, dass aufgrund von Streiks in den US-Häfen unser Containerschiff in New York festhing, weil es nicht ausgeladen werden konnte ☹. Um zwei Tage wurde die Abfahrt von Halifax schon nach hinten verschoben. Unser Flugzeug ging aber unweigerlich am 08.10.. Ein Problem für unsere Starterbatterien ☹, die wir in Las Vegas ja austauschen mussten und anstelle der starken NATO-Batterien hatten wir nun zwei US-„Gurken“! Nach 50 km Irrfahrt (dieses Garmin Navi bringt uns um den Verstand!) und weil einige Campingplätze schon jetzt geschlossen hatten, landeten wir in Upper Sackville (Halifax West) auf dem KOA Campground. Der Besitzer freute sich, dass alle Campingplätze geschlossen waren und alle Camper deshalb zu ihm kamen (wir freuten uns über die Waschmaschinen). Der Platz wurde auch tatsächlich echt voll! Klar, war auch noch Freitag!
Das Containerschiff (die Atlantik Sail 😊) fährt von Halifax nach Hamburg in 10 Tagen (wenn planmäßig) – es können aber auch wesentlich mehr werden, so dass wir uns entschlossen, das Trinkwasser in den Wassertanks doch abzulassen, die Filter zu entfernen und zu putzen und die Wasserschläuche zu entleeren. Wir verrichteten die für die Verschiffung notwendigen Arbeiten, wie zum Beispiel das Fahrerhaus komplett zu räumen (uiih, was sich da so alles ansammelt), Abwasser ablassen, Kühlschrank abtauen und putzen und Rucksäcke packen ☹. Da es nicht nur kalt war, sondern auch noch regnete und die Wiese sich auflöste, mussten alle Arbeiten im Shelter auf engstem Raum stattfinden.
Am nächsten Tag klemmte Chrisi noch einige Kabel im Elektroschrank auf dem Parkplatz vor dem Zollhafen ab. Damit sich alle Batterien nochmals laden konnten, hatten wir damit bis zum Schluss gewartet. Denn, dem Navi sei Dank, durften wir noch einige Ehrenrunden am Zollhafen vorbei und fast drum rum drehen ☹.
Bei der Security am Eingang bekamen wir nach der Registrierung mit den Reisepässen unsere Besucherausweise und fuhren hinter einer „Eskorte“ zum Zollgebäude. Muddy musste in die längste Schlange einparken: die nach Hamburg. Dann wurde streng kontrolliert, ob und wieviel Benzin und Gas an „Bord“ sind (wussten wir nicht, hat in Hamburg damals niemand interessiert) und so gaben wir eine Benzinkanisterfüllung als Spende an den örtlichen Hafen. Es war Montag und wegen des US-Streiks war geplant, Muddy erst am Freitag zu verladen ☹. Ursprünglich wäre es der Dienstag gewesen. Oh je! Wir malten uns wahre Schreckensszenarien aus, was passieren würde, wenn Muddy am Tage X nicht anspringen würde ☹.
Wir verabschiedeten uns ganz schwer von unserem „Baby“ und wünschten ihm viel Glück auf seiner Reise und dass er gut ankäme (tja, das wünschten wir wohl vor allem uns 😊).
Mit dem Taxi ging es dann vom Zollhafen ins Flughafen-Hotel Holiday Inn Express. Am nächsten Tag mit Condor nach Frankfurt und mit dem Zug nach Memmingen.

Upper Sackville (Halifax West)

















Genau 14 Tage später saßen wir wieder im Zug, exakt 7 Stunden und 22 Minuten lang und fuhren nach Hamburg – MUDDY WAR EINGETROFFEN 😊!!
Wir checkten im Graf Moltke Hotel gleich hinter dem Bahnhof in HH-St. Georg ein (sehr empfehlenswert, trotz der Nachbarschaft 😉). Am nächsten Morgen holte uns Ricardo Gomes (Overlander Shipping) ab und fuhr mit uns zum Zollhafen. Wir freuten uns riesig, dass Muddy unbeschädigt gelandet war! Zum Abgleich aller Daten mussten wir dann noch mit Muddy zum Zoll ein paar Kilometer entfernt vom Hafen (ob das Sinn macht?!). Und dann -nachdem alles o.k. war- fuhren wir zum Stellplatz Wohnmobilhafen in Hamburg-City. Es war genau der gleiche Stellplatz wie im Mai 2022! Damals hieß es, dass er bald schließen müsse, weil auf das Gelände ein Bürogebäude gebaut werden würde. Der Bauherr hat aber nun zurückgezogen, wohl, weil kein Mensch mehr große Bürogebäude braucht (meine Vermutung)!
Von dort machten wir eine richtig große Wanderung in die Stadt, zum Jungfernstieg, zu den Landungsbrücken, der Speicherstadt und zur Elbphilharmonie.
Die Elbphilharmonie (auch liebevoll „Elphi“ genannt) wurde von 2007 bis 2016 gebaut und am 11.01.2017 feierlich eröffnet. Die Baukosten betrugen 866 Millionen Euro, die geschätzten Kosten zu Beginn: 241 Millionen Euro! Das 110 m hohe Gebäude im Stadtteil Hafen-City wurde unter Einbeziehung der Hülle des früheren Kaispeichers A (Baujahr 1963) errichtet. Auf diesen Sockel wurde ein moderner Aufbau mit einer Glasfassade gesetzt, die an Segel, Wasserwellen, Eisberge oder einen Quarzkristall erinnern sollen. Kostenlos kann man mit einer steilen Rolltreppe hochfahren und den Innen- und Außenbereich besichtigen (mit Ausnahme der Konzertsäle natürlich). Uns hat sie auf jeden Fall sehr gut gefallen! Genauso, wie ganz Hamburg, eine tolle Stadt!

dem Weg nach Deutschland




































Nach 3 Tagen auf dem Wohnmobilhafen-Stellplatz machten wir uns auf in Richtung Süden. Wir kamen bis Hildesheim und konnten, nach einer Fahrt mitten durch die Stadt, auf einem Stellplatz am Hohnsensee kostenlos (!) zwei Nächte stehen. Den Stellplatz fanden wir über IOverlander und mussten über die Bewertung eines in Englisch geschriebenen Kommentars schmunzeln, denn dort stand, dass in der Nähe ein Restaurant wäre (für Amerikaner ein super wichtiger Punkt), welches aber sehr teuer sei. Wie sich herausstellte, handelte es sich um das Restaurant des Sternekochs Steffen Henssler 😊, wunderschön am Hohnsensee gelegen.
Mit den Rucksäcken mussten wir erstmal einkaufen gehen; unser Kühlschrank war mal wieder leergefegt.
Nachdem wir Beide noch nie in Hildesheim waren, beschlossen wir am nächsten Tag spontan eine Stadterkundung zu machen, zumal der Hildesheimer Dom und die Kirche St. Michaelis zum Weltkulturerbe der UNESCO gehören.
Ausgrabungen, die direkt nach dem Zweiten Weltkrieg auf dem Hildesheimer Annenfriedhof durchgeführt wurden, weisen darauf hin, dass sich bereits im 8. Jahrhundert eine Missions- oder Taufkapelle auf dem späteren Hildesheimer Domhügel befand.
Der erste Hildesheimer Dom entstand 872 unter Bischof Altfrid. Alle Nachfolgebauten erheben sich auf dessen Fundamenten. Berühmt sind die Bronzegüsse „Bernwardstür“ und die „Christussäule“. Weitere Schätze sind der romanische „Heziloleuchter“, die spätromanische „Bronzetaufe“ und der „Tausendjährige Rosenstock“ an der Domapsis (ein Wahrzeichen von Hildesheim).
Bischof Bernward begann den Bau der frühromanischen Michaeliskirche 993; sie wurde 1033 fertiggestellt. Die bemalte Holzdecke im Mittelschiff des Langhauses, die im 13. Jahrhundert entstand, ist einzigartig nördlich der Alpen. Die dendrochronologischen Untersuchungen im Jahr 1999 weisen auf ein Fälldatum der für die Decke verwendeten Eichenhölzer zwischen 1190 und 1220 hin.
Neben den Deckengemälden in St. Martin in Zillis (Schweiz) und in Dädesjö (Schweden) ist diese Deckenmalerei das einzige monumentale Tafelgemälde des hohen Mittelalters, das bis in unsere Zeit erhalten geblieben ist. Sie misst 27,6 x 8,7 Meter und besteht aus 1300 Eichenbohlen, die aus dem Holzstamm gespalten wurden; gesägte Bretter konnten noch nicht hergestellt werden.
Das Knochenhaueramtshaus wurde 1529 als Amtshaus der Fleischer am Marktplatz in Hildesheim errichtet. In der ursprünglichen Nutzung wurden neben dem Verkaufsraum die Kellergewölbe als Lagerraum verwendet. Im ersten Stock wurden Sitzungen der Gilde abgehalten und in den weiteren Obergeschossen waren Vorratsräume sowie Wohnungen untergebracht.

































Zwei Tage später ging es wieder weiter Richtung Süden. Wir kamen bis Motten 😊 im Landkreis Unterfranken; eine wunderschöne Landschaft! Mitten in Motten gab es einen Wohnmobilstellplatz (mit WC, Wasseranschluss und Strom (brauchen wir alles nicht)). Gegen eine Spende („was Ihnen der Aufenthalt hier im schönen Motten wert ist“) verbrachten wir eine ruhige Nacht direkt neben dem Maibaum. Romantisch plätscherte das Wasserrad am Bächlein 😊.
Am nächsten Tag kamen wir bis Stuttgart. Dort wollten wir in die Werkstatt unseres Vertrauens nach Stuttgart-Vaihingen (was auch wunderbar geklappt hat! Herzlichen Dank an die Firma Scharr, früher Miedtank für die schnelle Hilfe!). Der Stellplatz an der Messe war wegen der „Südback“ proppenvoll! Aber in Bernhausen (Filderstadt) wussten wir noch einen Stellplatz 😊. Der war zwar ab 01.11. wegen Erneuerung geschlossen (es war der 27.10.) und es gab nichts, aber es standen noch vier Wohnmobile (nur mit Männern besetzt) auf dem Platz und sie hießen uns herzlich willkommen! Hinter dem Stellplatz gab es ein großes Asylantenwohnheim und davor ein riesen Lager einer bekannten Stuttgarter Baufirma.
Wir genossen Stuttgart in vollen Zügen 😊 (also, ich zumindest!) und fuhren Tage später weiter bis zu unserem Ziel: Memmingen im Allgäu. Es dauerte noch ein paar Tage, bis wir Muddy winterfest gemacht hatten. Besuch bekamen wir viel aus der Nachbarschaft und Lukas freute sich, als Ersatzfahrer tätig zu sein 😉!




Wir wünschen Euch Allen schöne Weihnachten
und einen guten Rutsch in ein gesundes und glückliches neues Jahr 2025!
Wie es uns in Deutschland weiter ergeht, wie wir Muddy wieder auf Vordermann bringen und was wir für Pläne schmieden, folgt in unserem Februar-Bericht.
Bis dahin Euch alles Gute von den
